Brief des Bundesnetzwerk Jobcenter

Aktuelle Situation in den Jobcentern

Die Jobcenter in Deutschland nehmen seit 2005 die Aufgabe der Grundsicherung wahr. In Deutschland betreuen sie aktuell 1.678.287 arbeitslose Menschen und sichern insgesamt 5.330.875 leistungsberechtigten Menschen den Lebensunterhalt. Damit waren, sind und bleiben die Jobcenter systemrelevant. Sie sind als Organisa-tionen vor Ort der Garant für den sozialen Frieden in den Kommunen und Land-kreisen.
Neben dieser Kernaufgabe leisten die Jobcenter seit Jahren einen elementaren Bei-trag zur Bewältigung akuter Krisen. Ob Flüchtlingszuwanderung in 2015, steigende Arbeitslosigkeit infolge der Pandemie oder Menschen aus der Ukraine, die hier in Deutschland Zuflucht suchen, die Beschäftigten der Jobcenter haben in der zurück-liegenden Zeit alle Herausforderungen gemeistert und sich stets als zuverlässiger Partner der Bürgerinnen und Bürger erwiesen.
Mit Blick auf die kommenden Monate ist jedoch zu befürchten, dass eine Reihe weiterer Faktoren die Leistungsfähigkeit der Jobcenter an ihre absoluten Grenzen und darüber hinaus bringen. Eine zeitnahe und zuverlässige Aufgabenerledigung wäre dann auch durch ein noch so entschiedenes Krisenmanagement nicht mehr zu gewährleisten, mit nicht kalkulierbaren Konsequenzen für das gesamte Auf-gabenspektrum der Jobcenter.
Im Einzelnen geht es dabei um folgende Punkte:

1. Die Folgen des Ukraine-Krieges

Zwischen Ende Februar und dem 8. November 2022 wurden bundesweit mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine im Ausländerzentralregister (AZR) regis-triert. Für die Menschen, die seit Februar 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, um hier Schutz zu suchen, liegt für die überwiegende Mehrheit die Betreuung seit dem 1. Juni bei den Jobcentern. Dies stellt die Jobcenter anhaltend vor große Herausforderungen, denn der Betreuungsaufwand für diese Menschen ist hoch. Während der Zuzug über die Sommermonate im Vergleich zum Frühjahr stark nachgelassen hatte, nimmt derzeit die Dynamik wieder zu, für die Wintermonate wird mit massiven Zunahmen gerechnet. Die Mehrbelastung der Mitarbeitenden in den Jobcentern steigt somit stetig.
Sorgen bereiten den Jobcentern derzeit auch die exorbitant steigenden Ener-giekosten. Denn hierdurch dürften viele Bürgerinnen und Bürger, die bislang ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft erwirtschaften konnten, in eine Bedarfslage nach dem SGB II geraten. Nicht abschätzbar ist aktuell, wie viele Haushalte einmalig oder dauerhaft aufgrund der erhöhten Heiz- und Nebenkosten Unterstützung durch die Jobcenter erhalten werden. Unklar ist auch, welche Auswirkungen die Verarbeitung der Soforthilfen für Letztverbraucher haben wird.

2. Umsetzung des Bürgergeldes

Die beschlossene Einführung des Bürgergeldes muss bei einer hohen öffentlichen Erwartungshaltung kurzfristig durch die Jobcenter umgesetzt, sowie im kommenden Jahr in Gänze ausgestaltet werden. Dazu bedarf es struktureller und prozessualer Entwicklungen. Für eine gute Umsetzung des Bürgergeldes werden zur Stärkung der Jobcenter unter Berücksichtigung der aktuell herausfordernden Krisen zudem die erforderlichen Ressourcen wie Personal und Finanzen benötigt. Die aktuelle Kombi-nation aus Budgetminimierung und Kostensteigerungen senkt merklich den Spielraum für kundenorientierte Förderungen bei gleichzeitiger sinnvoller Einführung neuer Instrumente sowie der Entfristung des sozialen Arbeitsmarktes. Zudem gilt es zügig das aktuelle Ziel- und Steuerungssystem der Jobcenter im Sinne der neuen Bürgergeldsystematik fortzuentwickeln.

3. Wohngeld-Plus-Gesetz

Mit dem geplanten Wohngeld-Plus-Gesetz sollen steigende Energiekosten und durch energieeffiziente Sanierungen entstehende höhere Wohnkosten besser abgefangen werden. Dadurch sollen rund 1,4 Millionen Haushalte erstmalig oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten, bisher sind es rund 600.000 Haushalte. In vielen Kom-munen warten jedoch Antragsteller schon heute monatelang auf ihren Bescheid, in der Spitze sogar bis zu einem Jahr. Diese Situation wird sich aller Voraussicht nach weiter verschärfen. So müssen vermutlich die Mitarbeitenden der Jobcenter die Fol-gen der Wohngeldreform im kommenden Jahr mittragen. Aufgrund der langen Bearbeitungszeiten in den Wohngeldstellen befürchten viele Jobcenter, dass Bürger-innen und Bürger, bei denen das Geld für den Lebensunterhalt nicht reicht, zunächst übergangsweise beim Jobcenter Bürgergeld beantragen. Darüber hinaus sieht das Wohngeld-Plus-Gesetz ein Wohngeld-Moratorium von einem halben Jahr vor. Bis zum 30. Juni 2023 sind Leistungsberechtigte im SGB II demnach für laufende Bewilligungszeiträume, die in der Zeit vom 01.01.2023 bis 30.06.2023 beginnen, nicht verpflichtet, Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz in Anspruch zu nehmen. Die Jobcenter werden in der Konsequenz bis dahin aufgelaufene Fälle dahingehend prüfen müssen, ob ab 1. Juli statt des Bürgergeldanspruchs ein Wohngeldanspruch besteht.

4. Chancen-Aufenthaltsrecht

Durch das geplante Chancen-Aufenthaltsrecht wird durch den Bund für das Jahr 2023 mit rund 30.000 weiteren Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Ar-beitsuchende (SGB II) gerechnet, die bislang Leistungen nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz bezogen haben.

5. Ausgestaltung des Finanzbudgets

Die mit Schreiben vom 15. November 2022 angekündigten zusätzlichen Mittel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und für Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2023 werden durch die Jobcenter ausdrücklich begrüßt. Jedoch besteht weiterhin insbesondere eine Unterfinanzierung des Verwaltungskostenbudgets mit Blick auf die vergangenen Jahre. Anstatt aufgrund der genannten Mehraufwände die Jobcenter mit einer besseren Personalausstattung zu stärken, müssen diese mit bestehendem, bzw. teilweise sogar mit weniger Personal auskommen.

Die Jobcenter wollen auch zukünftig ihrer wichtigen gesellschaftlichen Rolle gerecht werden. Dazu benötigen sie Rahmenbedingungen, die dies zulassen.

Wir bitten insofern eindringlich darum, insbesondere mit Blick auf die genannten Faktoren, die im Rahmen der Gesetzgebungsverfahren bzw. der finanziellen Ausstattung des SGB II beinflussbar sind, diese so zu gestalten, dass die Gesamtsituation für die Jobcenter bewältigbar bleibt. Weitere Aufgabenverlagerungen in die Jobcenter sind unbedingt zu vermeiden. Zudem bedarf es eines realistischen Erwartungsmanagements vor dem Hintergrund der aktuellen Situation.

Für weiterführende Gespräche stehen wir sehr gerne zur Verfügung!

Der Sprecherrat des Bundesnetzwerks der Jobcenter.

  • Stefan Graaf
  • Birgitt Ehrl
  • Enrico Vogel
  • Martin Greiner
  • Thomas Holz
  • Frank Böttcher
  • Claudia Czernohorsky-Grüneberg
  • Jan Kaltofen
  • Susanne Pfau
  • Thorsten Hippe

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